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Freitag, 6. Oktober 2006
Regen, Test, Care-Paket & Aveiro
jcornelius, 00:22h
Diese Woche begann bereits sehr aufregend. Am Montag schuettete es wie aus Kuebeln, auf dem 5-Minuten-Weg zwischen Schule und Busbahnhof wurde ich von oben bis unten komplett nass. Der Regen verschlimmerte sich immer mehr, sodass bald die ersten Strassen unter Wasser standen. Mein Bus, der ja normalerweise 45 Minuten bis zu meinem Dorf braucht, war diesmal mindestens eine Stunde unterwegs, da ueberall Aquaplaninggefahr bestand und so der Bus extrem langsam fahren musste. *uff*
Am Dienstag habe ich dann meine erste Klassenarbeit/Test/wasauchimmer im Fach Latein geschrieben. Normalerweise waere diese Sache gar nicht so schwer fuer mich gewesen, schliesslich habe ich ja bereits sechs Jahre Latein. Der Haken an der Geschichte ist jedoch, dass ich den betreffenden lateinischen Text ins Portugiesische uebersetzen musste. Dabei kommt mir auch nicht gerade zur Hilfe, dass der portugiesische Lateinwortschatz ein ganz anderer als der deutsche ist, sodass ich nicht jedes Wort wusste. Naja, ich hoffe mal, dass die Arbeit nicht schlechter als "eine 10" wird. Das Notensystem in der portugiesischen Sekundarstufe II geht von der schlechtesten Zensur, der 0, die eigentlich nie vergeben wird, bis zur 20, die auch sehr selten vergeben wird.
Am Dienstag kam dann aber auch noch etwas anderes: Endlich ist das schwer ersehnte Care-Paket meiner lieben Mutter aus Berlin angekommen, d.h. ein Paeckchen aus Deutschland hierher braucht etwa eine Woche. Im Paeckchen selbst war unter anderem meine ebenso ersehnte Kamera, damit kann ich nun endlich viele Fotos machen (auch wenn das Ladekabel noch fehlt, da muss ich noch mal reklamieren ;), die aktuelle NEON-Ausgabe [1], eine Jeans, ein Mathebuch der zehnten Klasse und drei CDs mit meinen Lieblingssongs. Ach, endlich konnte ich nun wieder "Wir Sind Helden", "Beatles" und "Lemon Tree" hoeren.
Am Donnerstag nun ist in Portugal Feiertag, sodas ich auch keine Schule habe. Gefeiert wird hier "Proclamação da Republica 1910" (Proklamation der Republik 1910). Aber die Nachrichten berichteten gerade, dass nur wenige Portugiesen wissen, wieso sie eigentlich heute frei haben. Ausserdem betrifft es sowieso nicht alle, viele Geschaefte hatten heute dennoch offen. Meine Gastmutter Carmen nutzte die Zeit, die sie zu Hause verbrachte, und schlachtete erstmal an die fuenf bis sieben Enten - das war vielleicht ein Blutbad. Sie konnte ueberhaupt nicht verstehen, wieso ich das nicht sehen mochte. Dann kam natuerlich die Argumentation "Willst du deine Kartoffeln mit oder ohne Fleisch essen?". ...
Meine Gastschwester Milene und Ich haben dann am Nachmittag einen Ausflug ins nur etwa fuenfzig Kilometer entfernte Aveiro. Zwischendurch haben wir noch einen Abstecher nach Costa Nova gemacht. Dieses Dorf ist vor allem durch die Architektur seiner Haeuser bekannt. Viele Haeuschen haben hier vertikalene Streifen entweder in der Farbe Rot, Gruen, Blau oder Gelb. Manchmal erinnert das ein bisschen an einem Mix aus litauischem und schwedischem Stil. Sonst war dort eigentlich nichts besonderes, nur das halt viele Menschen unterwegs waren, weil heute Feiertag war.
In Aveiro selbst hat mich Milene dann durch die Stadt gefuehrt, in der sie aufgrund ihres Studiums fuenf Jahre gelebt hat. Begonnen haben wir in der Altstadt, die mich doch eher an ein kleines Labyrinth erinnert hat, quasi jede Strasse sah irgendwie alt und gleich aus. Dafuer sah man aber auch an vielen Haeusern die beruehmten Azulejos, blaue Fliesenbilder, die meist irgendwelche Heiligen zeigen. Ob nun São Antonio oder São João - sie unterschieden sich eigentlich nur durch dem Umfang ihres Heiligenscheins. Die naechst Etappe war dann der Bahnhof, den ich mir gewuenscht hatte, den Milene aber auch so gezeigt haette. Die Station besitzt zwei Bahnhofsgebaeude: einmal das alte mit Fliesenbildern versehene und einmal den Neubau mit unterirdischem Tunnel zu den verschiedenen Bahnsteigen. Das alte Bahnhofsgebaeude ist wirklich sehenswert und kann ich jedem Aveiro-Besucher nur empfehlen. Selbstverstaendlich musste ich dann noch ein paar Fotos von den Vorortzuegen und den Bahnsteigen machen.
Nach dem Bahnhof sind wir weiter durch die Stadt gewandert und haben uns dies und jenes angeschaut. Milene hat mir erzaehlt, das Aveiro manchmal auch das portugiesische Venedig genannt wird, da die Stadt mehrere Kanaele besitzt. Diese Bezeichnung fand ich stark uebertrieben - aber nun gut. Aber zumindest viele schoen geschmueckte Bruecken besitzt die Stadt. Zwei Dinge die mir auffielen: Sehr beliebt sind dort die so genannten "Buga"-Fahrraeder. Buga steht fuer "bicicleta de utilização gratuita de Aveiro" zu Deutsch "kostenlose Fahrradbenutzung von Aveiro". Es gibt derlei mehrere Fahrradstaende in der Stadt wo man sich einfach eines der gruenen Raeder nehmen und einfach losfahren kann. Ich find das eine sehr gute Idee, die irgendwie gar nicht dem portugiesischen Typ - Auto, Auto, Auto - entspricht. Die andere Sache, die mir aufgefallen ist, waren die aveirensischen Boote. Viele kleinen Boetchen schwimmen in den Kanaelen rum, am beiden Enden sind diese Schiffchen mit Zeichnung versehen. Ich habe Milene bei einer Zeichnung+Text gefragt, was sie denn bedeutet, zufaellig habe ich wohl eine "schweinische" Version erwischt. Das Bild zeigte eine Kartoffelfeld mit einem Mann und einer Frau. Darunter stand dann zu Deutsch: "Steck die Kartoffeln in die Saatfelder" (also die langgestreckten, schmalen Gruben). Das portugiesische Wort dafuer bedeutet aber gleichzeitig "Hintern", sodass der Spruch auch bedeuten kann "Steck die Kartoffeln in den Hintern". *huestel* Nun gut.
Im Anschluss zeigte mir Milene dann noch "ihre" Universitaet von Aveiro. Der Campus ist fuer mich - der ja auch die Freie Universitaet von Berlin kennt - nun nicht der groesste, war aber ansprechend gestaltet. Jedes Gebaeude besteht aus Ziegelsteine, sodass man sofort erkennen kann, welches Gebauede zur Uni gehoert und welches nicht. Die Ziegelbauten sind aber sehr modern und (sollen) den hochsten Anspruechen entsprechen. Am Ende fande ich dann aber auch die zahlreichen Ziegelbauten der verschiedenen Fakultaeten etwas monoton. Nach dem Uni-Abstecher ging es dann nach Hause. Ein sehr schoener Tag.
Mal sehen, was mich in den naechsten Tage und Wochen erwartet. Am Wochenende des 21/22 Oktobers ist das erste "Camp" meiner Austauschorganisation. Dort sehe ich dann die Haelfte der Schueler wieder und darf sehen, ob ihr Portugiesisch besser ist als meines ;) Viele Gruesse und até breve --Cornelius
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Fussnote [1]: Ja, ich weiss, NEON ist vom Stern und der Stern ist bloed. Aber das Neon-Magazin ist (derzeit) eine der wenigen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum, die mich gleichzeitig interessiert und - das ist wichtig - bezahlbar ist. Da akzeptiere ich auch, dass Neon vom Stern ist..
Am Dienstag habe ich dann meine erste Klassenarbeit/Test/wasauchimmer im Fach Latein geschrieben. Normalerweise waere diese Sache gar nicht so schwer fuer mich gewesen, schliesslich habe ich ja bereits sechs Jahre Latein. Der Haken an der Geschichte ist jedoch, dass ich den betreffenden lateinischen Text ins Portugiesische uebersetzen musste. Dabei kommt mir auch nicht gerade zur Hilfe, dass der portugiesische Lateinwortschatz ein ganz anderer als der deutsche ist, sodass ich nicht jedes Wort wusste. Naja, ich hoffe mal, dass die Arbeit nicht schlechter als "eine 10" wird. Das Notensystem in der portugiesischen Sekundarstufe II geht von der schlechtesten Zensur, der 0, die eigentlich nie vergeben wird, bis zur 20, die auch sehr selten vergeben wird.
Am Dienstag kam dann aber auch noch etwas anderes: Endlich ist das schwer ersehnte Care-Paket meiner lieben Mutter aus Berlin angekommen, d.h. ein Paeckchen aus Deutschland hierher braucht etwa eine Woche. Im Paeckchen selbst war unter anderem meine ebenso ersehnte Kamera, damit kann ich nun endlich viele Fotos machen (auch wenn das Ladekabel noch fehlt, da muss ich noch mal reklamieren ;), die aktuelle NEON-Ausgabe [1], eine Jeans, ein Mathebuch der zehnten Klasse und drei CDs mit meinen Lieblingssongs. Ach, endlich konnte ich nun wieder "Wir Sind Helden", "Beatles" und "Lemon Tree" hoeren.
Am Donnerstag nun ist in Portugal Feiertag, sodas ich auch keine Schule habe. Gefeiert wird hier "Proclamação da Republica 1910" (Proklamation der Republik 1910). Aber die Nachrichten berichteten gerade, dass nur wenige Portugiesen wissen, wieso sie eigentlich heute frei haben. Ausserdem betrifft es sowieso nicht alle, viele Geschaefte hatten heute dennoch offen. Meine Gastmutter Carmen nutzte die Zeit, die sie zu Hause verbrachte, und schlachtete erstmal an die fuenf bis sieben Enten - das war vielleicht ein Blutbad. Sie konnte ueberhaupt nicht verstehen, wieso ich das nicht sehen mochte. Dann kam natuerlich die Argumentation "Willst du deine Kartoffeln mit oder ohne Fleisch essen?". ...
Meine Gastschwester Milene und Ich haben dann am Nachmittag einen Ausflug ins nur etwa fuenfzig Kilometer entfernte Aveiro. Zwischendurch haben wir noch einen Abstecher nach Costa Nova gemacht. Dieses Dorf ist vor allem durch die Architektur seiner Haeuser bekannt. Viele Haeuschen haben hier vertikalene Streifen entweder in der Farbe Rot, Gruen, Blau oder Gelb. Manchmal erinnert das ein bisschen an einem Mix aus litauischem und schwedischem Stil. Sonst war dort eigentlich nichts besonderes, nur das halt viele Menschen unterwegs waren, weil heute Feiertag war.
In Aveiro selbst hat mich Milene dann durch die Stadt gefuehrt, in der sie aufgrund ihres Studiums fuenf Jahre gelebt hat. Begonnen haben wir in der Altstadt, die mich doch eher an ein kleines Labyrinth erinnert hat, quasi jede Strasse sah irgendwie alt und gleich aus. Dafuer sah man aber auch an vielen Haeusern die beruehmten Azulejos, blaue Fliesenbilder, die meist irgendwelche Heiligen zeigen. Ob nun São Antonio oder São João - sie unterschieden sich eigentlich nur durch dem Umfang ihres Heiligenscheins. Die naechst Etappe war dann der Bahnhof, den ich mir gewuenscht hatte, den Milene aber auch so gezeigt haette. Die Station besitzt zwei Bahnhofsgebaeude: einmal das alte mit Fliesenbildern versehene und einmal den Neubau mit unterirdischem Tunnel zu den verschiedenen Bahnsteigen. Das alte Bahnhofsgebaeude ist wirklich sehenswert und kann ich jedem Aveiro-Besucher nur empfehlen. Selbstverstaendlich musste ich dann noch ein paar Fotos von den Vorortzuegen und den Bahnsteigen machen.
Nach dem Bahnhof sind wir weiter durch die Stadt gewandert und haben uns dies und jenes angeschaut. Milene hat mir erzaehlt, das Aveiro manchmal auch das portugiesische Venedig genannt wird, da die Stadt mehrere Kanaele besitzt. Diese Bezeichnung fand ich stark uebertrieben - aber nun gut. Aber zumindest viele schoen geschmueckte Bruecken besitzt die Stadt. Zwei Dinge die mir auffielen: Sehr beliebt sind dort die so genannten "Buga"-Fahrraeder. Buga steht fuer "bicicleta de utilização gratuita de Aveiro" zu Deutsch "kostenlose Fahrradbenutzung von Aveiro". Es gibt derlei mehrere Fahrradstaende in der Stadt wo man sich einfach eines der gruenen Raeder nehmen und einfach losfahren kann. Ich find das eine sehr gute Idee, die irgendwie gar nicht dem portugiesischen Typ - Auto, Auto, Auto - entspricht. Die andere Sache, die mir aufgefallen ist, waren die aveirensischen Boote. Viele kleinen Boetchen schwimmen in den Kanaelen rum, am beiden Enden sind diese Schiffchen mit Zeichnung versehen. Ich habe Milene bei einer Zeichnung+Text gefragt, was sie denn bedeutet, zufaellig habe ich wohl eine "schweinische" Version erwischt. Das Bild zeigte eine Kartoffelfeld mit einem Mann und einer Frau. Darunter stand dann zu Deutsch: "Steck die Kartoffeln in die Saatfelder" (also die langgestreckten, schmalen Gruben). Das portugiesische Wort dafuer bedeutet aber gleichzeitig "Hintern", sodass der Spruch auch bedeuten kann "Steck die Kartoffeln in den Hintern". *huestel* Nun gut.
Im Anschluss zeigte mir Milene dann noch "ihre" Universitaet von Aveiro. Der Campus ist fuer mich - der ja auch die Freie Universitaet von Berlin kennt - nun nicht der groesste, war aber ansprechend gestaltet. Jedes Gebaeude besteht aus Ziegelsteine, sodass man sofort erkennen kann, welches Gebauede zur Uni gehoert und welches nicht. Die Ziegelbauten sind aber sehr modern und (sollen) den hochsten Anspruechen entsprechen. Am Ende fande ich dann aber auch die zahlreichen Ziegelbauten der verschiedenen Fakultaeten etwas monoton. Nach dem Uni-Abstecher ging es dann nach Hause. Ein sehr schoener Tag.
Mal sehen, was mich in den naechsten Tage und Wochen erwartet. Am Wochenende des 21/22 Oktobers ist das erste "Camp" meiner Austauschorganisation. Dort sehe ich dann die Haelfte der Schueler wieder und darf sehen, ob ihr Portugiesisch besser ist als meines ;) Viele Gruesse und até breve --Cornelius
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Fussnote [1]: Ja, ich weiss, NEON ist vom Stern und der Stern ist bloed. Aber das Neon-Magazin ist (derzeit) eine der wenigen Zeitschriften im deutschsprachigen Raum, die mich gleichzeitig interessiert und - das ist wichtig - bezahlbar ist. Da akzeptiere ich auch, dass Neon vom Stern ist..
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