... newer stories
Freitag, 26. Januar 2007
Coimbra + ein bestaetigtes Vorurteil
jcornelius, 17:06h
Olá,
letztes Wochenenende habe ich – fuer mich ganz ueberraschend – einen kleinen Ausflug in die naechstgroessere Grossstadt Coimbra gemacht. Dazu ueberredet, nein sogar eher “gedraengt”, hatte ich mich meine Gastmutter. Seitdem meine Familie “verstanden” hat, dass ich mich fuer die Eisenbahnstrecke nicht weit vom Dorf entfernt interessiere und generell lieber in einer Grossstadt bin, hat sie mich dazu ermuntert mit dem Zug, der ja bekanntlich nur sechs Mal am Tag faehrt (3 in jede Richtung).
So wurde ich am Samstag Mittag, ich bekam ein extra frueher gekochtes Mittagessen, mit Saft und zwei Broetchen bepackt, zum Bahnhof “Santana-Ferreira” chauffiert, wo dann auch wenige Minuten spaeter das kleine Zueglein eintraf. Es war schon komisch na den verschiedenen kleinen Stationen vorbeizufahren, die man Wochen und Tage zuvor noch mit dem Fahrrad “bereiste” und fotografierte. Die Fahrkarte, die ich beim Schaffer – ja wirklich, es gab einen Schaffner fuer zehn Leute! – kostete mich 4,90 €, ulkigerweise stand sogar die zurueckgelegte Streckenkilometerzahl (54 km) auf der Fahrkarte drauf.
Nach gut 1 ½ Fahrt kam ich dann in Coimbra-A, auch Estação Nova, an. Was ich hier im Blog gar nicht geschrieben hatte, ist, dass ich bereits zwischen Weihnachten und Neujahr einen Ausflug mit meiner Gastschwester und einer Freundin nach Coimbra gemacht hatte, sodass ich bereits einen Teil Coimbras, insbesondere das Universitaetsgelaende kannte. Deshalb besuchte ich einfach nochmal die Stellen Coimbras, die mir am besten gefielen. Dazu gehoerte zum Beispiel der “Jardim Botânico”, der botanische Garten von Coimbra, der einfach wunderschoen ist. Die Universitaet, in deren Eigentum der Garten ist, besitzt kein Geld fuer die Beschaeftigung von Mitarbeitern, sodass der Eintritt frei ist. Der Garten erinnert teilweise ein wenig an einen grossen Dschungel, teilweise finden sich wirklich sehr schoenen Pflanzen dort. Im Gegensatz zum Dezemberbesuch konnte ich nun ohne Druck und ganz nach Belieben spazieren gehen, sodass beispielsweise einen Goldfischteich entdeckte, ein Eichhoernchen nicht weit von mir vorbeihoppelte und ich einen wunderschoenen Magnolienbaum mit bluehenden Magnolien fotografieren konnte.
Besucht habe ich Coimbra dann noch ein paar Kirchen, noch ein paar anderen Gaerten, ein staedtisches Internetcafé, etc., etc. Nach insgesamt fuenf Stunden, in denen ich mir auch einen deutschen “Spiegel” gekauft, einen portugiesischen Notarztwagen fotografiert, deutsche Touristen gehoert und jede erdenkliche Buchhandlung gestuermt hatte, war ich fertig und konnte um 19:20 mit dem Zug mit etwa 20 km/h wieder zu meinem Dorf “zuruecktuckern”. Netterweise wurde ich von meinem Gastvater abgeholt.
Prinzipiell bin ich ja kein grosser Freund von Vorurteilen, auch wenn sie das Denken und Einordnen erheblich leichter machen. Fest steht aber nun mal, dass jades Voelkchen eine besonere Eigenschaft besitzt, das es von anderen Regionen und Laendern unterscheidet. Die Deutschen gelten als ordentlich und puenktlich, wie auch immer das zustande kommt, etc., etc. Die Portugiesen sind nicht gerade puentlich, dafuer besitzen sie umso mehr Minderwertigkeitskomplexe. Das hoert sich komisch an, ist aber wirklich so. Seitdem die Portugiesen nicht mehr die “Grossen” in Europa sind, d.h. also seit der Entdeckerzeit um Vasco da Gama und Magalhães, sehnen sich die Portugiesen wieder dahin zurueck. Verkoerpert wird dieses Gefuehl beispielsweise besonders im Fado, dessen wohl wichtigstes Wort “saudade” ist (nicht ganz uebersetzbar, etwa in Richtung Sehnsucht). Die Fadistas singen sich ihren Schmerz und ihre Sehnsucht nach dem grossen, weiten Meer aus der Seele – daher hoert sich das selbstverstaendlich ziemlich traurig an. Verstaerkt wird dieses Gefuehl noch durch solche Dinge wie die Fussballweltmeisterschaft 1960 (?), wo die Portugiesen nur Vize und nicht Weltmeister geworden sind; die EM 2004, wo die Portugiesen im eigenen Land ebenfalls nur Vizeeuropameister wurden; Portugal gehoert zu den aermsten Laendern der EU; gewinnt nie beim Eurovision Song Contest, etc., etc. Wie man sieht, sehr bedrueckend. Das man durch die ganzen Minderwertigkeitskomplexe die positiven Seiten wie die Expo 1998, die sehr erfolgreich beendet wurde oder dass der europaeische Komissionschef José Manuel Durão Baroso ein Portugiese ist, uebersieht die Portugiesen dann selbstverstaendlich… Klar, ich denke das Minderwertigkeitsgefuehl gibt es noch in anderen kleinen Laendern, ich kenne das noch aus Litauen. Aber dort liegt, denke ich, eher an der erst sehr jungen Demokratie, Litauen ist erst Anfang der Neunziger nach dem Zusammenbruch der UdSSR “wiederaufgestanden”.
Viele Gruesse, bis bald, ciao, ciaozão, adeus --Cornelius
letztes Wochenenende habe ich – fuer mich ganz ueberraschend – einen kleinen Ausflug in die naechstgroessere Grossstadt Coimbra gemacht. Dazu ueberredet, nein sogar eher “gedraengt”, hatte ich mich meine Gastmutter. Seitdem meine Familie “verstanden” hat, dass ich mich fuer die Eisenbahnstrecke nicht weit vom Dorf entfernt interessiere und generell lieber in einer Grossstadt bin, hat sie mich dazu ermuntert mit dem Zug, der ja bekanntlich nur sechs Mal am Tag faehrt (3 in jede Richtung).
So wurde ich am Samstag Mittag, ich bekam ein extra frueher gekochtes Mittagessen, mit Saft und zwei Broetchen bepackt, zum Bahnhof “Santana-Ferreira” chauffiert, wo dann auch wenige Minuten spaeter das kleine Zueglein eintraf. Es war schon komisch na den verschiedenen kleinen Stationen vorbeizufahren, die man Wochen und Tage zuvor noch mit dem Fahrrad “bereiste” und fotografierte. Die Fahrkarte, die ich beim Schaffer – ja wirklich, es gab einen Schaffner fuer zehn Leute! – kostete mich 4,90 €, ulkigerweise stand sogar die zurueckgelegte Streckenkilometerzahl (54 km) auf der Fahrkarte drauf.
Nach gut 1 ½ Fahrt kam ich dann in Coimbra-A, auch Estação Nova, an. Was ich hier im Blog gar nicht geschrieben hatte, ist, dass ich bereits zwischen Weihnachten und Neujahr einen Ausflug mit meiner Gastschwester und einer Freundin nach Coimbra gemacht hatte, sodass ich bereits einen Teil Coimbras, insbesondere das Universitaetsgelaende kannte. Deshalb besuchte ich einfach nochmal die Stellen Coimbras, die mir am besten gefielen. Dazu gehoerte zum Beispiel der “Jardim Botânico”, der botanische Garten von Coimbra, der einfach wunderschoen ist. Die Universitaet, in deren Eigentum der Garten ist, besitzt kein Geld fuer die Beschaeftigung von Mitarbeitern, sodass der Eintritt frei ist. Der Garten erinnert teilweise ein wenig an einen grossen Dschungel, teilweise finden sich wirklich sehr schoenen Pflanzen dort. Im Gegensatz zum Dezemberbesuch konnte ich nun ohne Druck und ganz nach Belieben spazieren gehen, sodass beispielsweise einen Goldfischteich entdeckte, ein Eichhoernchen nicht weit von mir vorbeihoppelte und ich einen wunderschoenen Magnolienbaum mit bluehenden Magnolien fotografieren konnte.
Besucht habe ich Coimbra dann noch ein paar Kirchen, noch ein paar anderen Gaerten, ein staedtisches Internetcafé, etc., etc. Nach insgesamt fuenf Stunden, in denen ich mir auch einen deutschen “Spiegel” gekauft, einen portugiesischen Notarztwagen fotografiert, deutsche Touristen gehoert und jede erdenkliche Buchhandlung gestuermt hatte, war ich fertig und konnte um 19:20 mit dem Zug mit etwa 20 km/h wieder zu meinem Dorf “zuruecktuckern”. Netterweise wurde ich von meinem Gastvater abgeholt.
Prinzipiell bin ich ja kein grosser Freund von Vorurteilen, auch wenn sie das Denken und Einordnen erheblich leichter machen. Fest steht aber nun mal, dass jades Voelkchen eine besonere Eigenschaft besitzt, das es von anderen Regionen und Laendern unterscheidet. Die Deutschen gelten als ordentlich und puenktlich, wie auch immer das zustande kommt, etc., etc. Die Portugiesen sind nicht gerade puentlich, dafuer besitzen sie umso mehr Minderwertigkeitskomplexe. Das hoert sich komisch an, ist aber wirklich so. Seitdem die Portugiesen nicht mehr die “Grossen” in Europa sind, d.h. also seit der Entdeckerzeit um Vasco da Gama und Magalhães, sehnen sich die Portugiesen wieder dahin zurueck. Verkoerpert wird dieses Gefuehl beispielsweise besonders im Fado, dessen wohl wichtigstes Wort “saudade” ist (nicht ganz uebersetzbar, etwa in Richtung Sehnsucht). Die Fadistas singen sich ihren Schmerz und ihre Sehnsucht nach dem grossen, weiten Meer aus der Seele – daher hoert sich das selbstverstaendlich ziemlich traurig an. Verstaerkt wird dieses Gefuehl noch durch solche Dinge wie die Fussballweltmeisterschaft 1960 (?), wo die Portugiesen nur Vize und nicht Weltmeister geworden sind; die EM 2004, wo die Portugiesen im eigenen Land ebenfalls nur Vizeeuropameister wurden; Portugal gehoert zu den aermsten Laendern der EU; gewinnt nie beim Eurovision Song Contest, etc., etc. Wie man sieht, sehr bedrueckend. Das man durch die ganzen Minderwertigkeitskomplexe die positiven Seiten wie die Expo 1998, die sehr erfolgreich beendet wurde oder dass der europaeische Komissionschef José Manuel Durão Baroso ein Portugiese ist, uebersieht die Portugiesen dann selbstverstaendlich… Klar, ich denke das Minderwertigkeitsgefuehl gibt es noch in anderen kleinen Laendern, ich kenne das noch aus Litauen. Aber dort liegt, denke ich, eher an der erst sehr jungen Demokratie, Litauen ist erst Anfang der Neunziger nach dem Zusammenbruch der UdSSR “wiederaufgestanden”.
Viele Gruesse, bis bald, ciao, ciaozão, adeus --Cornelius
... link (1 Kommentar) ... comment
... older stories