Mittwoch, 10. Januar 2007
Noten, Fahrradtouren und Anglizismen in Portugal
jcornelius, 14:26h
So, nun habe ich mir den Computer wieder erkämpft und kann endlich den Bericht dieser Woche schreiben...
Letzte Woche begann ja bekanntlich die Schule wieder in Portugal. Ich muss sagen, ich war sehr enttäuscht, dass im drittkatholischten Land der Welt (nach Vatikan und Italien) die Ferien nicht wenigstens bis zum 6.01., den heiligen drei Königen (três reis magos), dauern. Mit den neuen Jahr hat hier nun auch die 2º periodo, das zweite Trimester angefangen. In Folge dessen, hingen nun im Großraum der Schule alle Noten des letzten Trimesters aus. Für mich war das vollkommen überraschend, wird doch in Deutschland mit den Zensuren des Zeugnisses ein ziemliches Geheimnis gemacht (im Sinne von Selbstbestimmungsrecht von eigenen Informationen). Aber nein, hier konnte jeder die Noten des anderen sehen und je nach Lage entweder lachen oder bedauern... Hier wird meistens im Frontalunterricht gelehrt, das heißt, der einzelne Schüler kommt sowieso nicht zu Wort, deshalb braucht er auch im Grunde genommen keine Note für mündliche Mitarbeit. Im Umkehrschluss heißt das jedoch wieder, dass die Tests, von dem man aber nur 2-3 in einem Trimester hier schreibt, bis zu 70 oder gar 80 Prozent der Trimesternote ausmachen. Ich als aus Berlin „Dialogsunterricht“ verwöhnter Schüler finde das etwas ungerecht, als ob 2-3 Noten aus den Tests meine Leistung feststellen können. Anscheinend als Ersatz dafür haben die portugiesischen Bildungspolitiker hier ein anderes Element erfunden: die Selbsteinschätzung, auf Portugiesisch auto-avaliação. Jeder Schüler muss sich in jedem Fach am Ende jeden Trimesters selbst einschätzen, der Lehrer sieht daraufhin die Meinung des Schülers und kann somit meines Erachtens auch die Endnote noch um bis zu zwei Noten nach oben oder nach unten ändern. Jedenfalls war ich mit meinen Noten nahezu durchgehend zufrieden. Ich meine, was kann man/muss man von einem Austauschschüler, der erst gerade mal dabei ist die Sprache zu lernen, erwarten? Derweil konnten sich die Lehrer der einzelnen Fächer nicht entscheiden, ob ich quantitativ (0-20), wie jeder andere Schüler, oder qualitativ (von mau bis muito bom, von schlecht bis sehr gut) bewertet werden sollte. Als Folge gab es nun wohl einen Mischmasch aus beidem. In Englisch habe ich eine 16, in Portugiesischer Literatur eine 13, in Latein eine 16, in Sport habe ich wegen „guten Betragens“ statt der erwarteten 12 einen Sonderpunkt und somit eine 13 bekommen (ich würde immer beim Aufbauen helfen), in Philosophie habe ich meine Note durch einen „perfekten“ Test auf eine 12 „gehieft“ und ja, in Mathematik weiß ich nicht was ich erhalte, weil die beiden Tests zwischen 5 und 6 fahren, bekomme ich, vermute ich mal, ein suficiente, zu Deutsch ausreichend. Diese Note stand naemlich nicht an den "Waenden" dran.... Genug von Schule.
Da es hier ja in meiner Naehe bekanntlich keine U-Bahn gibt, bzw. in Coimbra nur eine geplant aber nicht gebaut wird, muss ich mich hier den lokalen Eisenbahnstrecken annehmen. Nicht weit von meinem Dorf befindet sich, darueber schrieb ich ja schon, der Bahnhof Santana-Ferreira. Am letzten Wochenende habe ich nun ein paar kleine Fahrradtouren unternommen, um auch die anderen Bahnhoefe der Strecke kennenzulernen und vielleicht auch mal einen Wikipediaartikel zu diesem Teil der Linha da Beira Alta (der Streckenname) schreiben zu koennen. Dass ich dabei auch die Kilometersteine der Bahnuebergange aufschreibe, sage ich lieber nicht meiner Gastfamilie, sonst denken die noch, ich bin noch verrueckter als sie schon dachten ;) Am Samstag fand ich so den Bahnhof Costeira (Bild), aber auch so seltsame Dorfnamen wie Guadaloupe oder Gatões (zu Deutsch Grosse Katzen). Leider hatte ich mich etwas in der Zeitplanung verschaetzt bzw. einfach vergessen, dass in Portugal es wesentlich schneller dunkel wird als in Deutschland. So kam ich dann im Dunkeln an (Fahrraeder haben hier weder Licht noch Reflektoren), sodass ich natuerlich ein wenig Aerger bekam. Als ich dann erzaehlte wo ich war, bekreuzigte sich meine Gastmutter, weil, das wusste ich wirklich nicht, sich in dem Dorf Costeira, wo der Bahnhof ist, sich unter anderem auch ein Bordell befindet. Ich meine ja, ein Dorf wird dadurch nicht unbedingt schlechter, meine Familie denkt da aber anders. Lustiger war aber, das ich auch in Doerfern war, von denen meine Gastfamilie noch nie gehoert hatte, obwohl die sich in nur 10-20 km Entfernung von Netos befinden... So glaube ich, dass insbesondere meine Gastmutter insgeheim doch stolz auf mich war, ermutigte sie mich doch gleich am naechsten Wochenende einfach (allein) mit dem Zug die Strecke entlang zu fahren.
Als ich in Portugal ankam, dachte ich mir, dass die portugiesische Sprache, ähnlich wie Französisch, gut gegen alle englischen und sonstigen Spracheinfluesse geschützt wird. Dachte ich, ja. Denn wenn man hier mehr als drei Monate lebt, merkt man schon, dass sich einige Wörter aus dem Englischen einbürgern, wobei das nicht so große Ausmaße wie in Deutschland annimmt, es aber dennoch nicht nur bei okay bleibt. Es werden vor allem Wörter uebernommen, die Erscheinungen/Dinge bezeichnen, die extrem neu sind oder die es einfach nur im Fernsehen gibt. Das erste Beispiel sah im Film A dia depois de amanhã (The day after tomorrow): Es gibt kein Portugiesisches Wort für "Eisberg", da wird einfach das englische Wort "iceberg" übernommen. Selbstverständlich mit (jedoch nur teilweise) angepasster Schreibweise, also icebergue (ohne u hieße es icebersche). Komischeweise wird das ice dennoch wie "Eis" ausgesprochen. Mein zweites Beispiel ist trabalhar em part-time, zu Deutsch einfach "Teilzeitarbeit". Für das Wort "schwul" gibt es im Portugiesischen auch kein "normales" Wort, also keines, das nicht abwertend ist (wenn man mal von "homosexual" absieht). Deswegen haben die Portugiesen einfach das "gay" übernommen...
Viele Grüße und até breve --Cornelius
Letzte Woche begann ja bekanntlich die Schule wieder in Portugal. Ich muss sagen, ich war sehr enttäuscht, dass im drittkatholischten Land der Welt (nach Vatikan und Italien) die Ferien nicht wenigstens bis zum 6.01., den heiligen drei Königen (três reis magos), dauern. Mit den neuen Jahr hat hier nun auch die 2º periodo, das zweite Trimester angefangen. In Folge dessen, hingen nun im Großraum der Schule alle Noten des letzten Trimesters aus. Für mich war das vollkommen überraschend, wird doch in Deutschland mit den Zensuren des Zeugnisses ein ziemliches Geheimnis gemacht (im Sinne von Selbstbestimmungsrecht von eigenen Informationen). Aber nein, hier konnte jeder die Noten des anderen sehen und je nach Lage entweder lachen oder bedauern... Hier wird meistens im Frontalunterricht gelehrt, das heißt, der einzelne Schüler kommt sowieso nicht zu Wort, deshalb braucht er auch im Grunde genommen keine Note für mündliche Mitarbeit. Im Umkehrschluss heißt das jedoch wieder, dass die Tests, von dem man aber nur 2-3 in einem Trimester hier schreibt, bis zu 70 oder gar 80 Prozent der Trimesternote ausmachen. Ich als aus Berlin „Dialogsunterricht“ verwöhnter Schüler finde das etwas ungerecht, als ob 2-3 Noten aus den Tests meine Leistung feststellen können. Anscheinend als Ersatz dafür haben die portugiesischen Bildungspolitiker hier ein anderes Element erfunden: die Selbsteinschätzung, auf Portugiesisch auto-avaliação. Jeder Schüler muss sich in jedem Fach am Ende jeden Trimesters selbst einschätzen, der Lehrer sieht daraufhin die Meinung des Schülers und kann somit meines Erachtens auch die Endnote noch um bis zu zwei Noten nach oben oder nach unten ändern. Jedenfalls war ich mit meinen Noten nahezu durchgehend zufrieden. Ich meine, was kann man/muss man von einem Austauschschüler, der erst gerade mal dabei ist die Sprache zu lernen, erwarten? Derweil konnten sich die Lehrer der einzelnen Fächer nicht entscheiden, ob ich quantitativ (0-20), wie jeder andere Schüler, oder qualitativ (von mau bis muito bom, von schlecht bis sehr gut) bewertet werden sollte. Als Folge gab es nun wohl einen Mischmasch aus beidem. In Englisch habe ich eine 16, in Portugiesischer Literatur eine 13, in Latein eine 16, in Sport habe ich wegen „guten Betragens“ statt der erwarteten 12 einen Sonderpunkt und somit eine 13 bekommen (ich würde immer beim Aufbauen helfen), in Philosophie habe ich meine Note durch einen „perfekten“ Test auf eine 12 „gehieft“ und ja, in Mathematik weiß ich nicht was ich erhalte, weil die beiden Tests zwischen 5 und 6 fahren, bekomme ich, vermute ich mal, ein suficiente, zu Deutsch ausreichend. Diese Note stand naemlich nicht an den "Waenden" dran.... Genug von Schule.
Da es hier ja in meiner Naehe bekanntlich keine U-Bahn gibt, bzw. in Coimbra nur eine geplant aber nicht gebaut wird, muss ich mich hier den lokalen Eisenbahnstrecken annehmen. Nicht weit von meinem Dorf befindet sich, darueber schrieb ich ja schon, der Bahnhof Santana-Ferreira. Am letzten Wochenende habe ich nun ein paar kleine Fahrradtouren unternommen, um auch die anderen Bahnhoefe der Strecke kennenzulernen und vielleicht auch mal einen Wikipediaartikel zu diesem Teil der Linha da Beira Alta (der Streckenname) schreiben zu koennen. Dass ich dabei auch die Kilometersteine der Bahnuebergange aufschreibe, sage ich lieber nicht meiner Gastfamilie, sonst denken die noch, ich bin noch verrueckter als sie schon dachten ;) Am Samstag fand ich so den Bahnhof Costeira (Bild), aber auch so seltsame Dorfnamen wie Guadaloupe oder Gatões (zu Deutsch Grosse Katzen). Leider hatte ich mich etwas in der Zeitplanung verschaetzt bzw. einfach vergessen, dass in Portugal es wesentlich schneller dunkel wird als in Deutschland. So kam ich dann im Dunkeln an (Fahrraeder haben hier weder Licht noch Reflektoren), sodass ich natuerlich ein wenig Aerger bekam. Als ich dann erzaehlte wo ich war, bekreuzigte sich meine Gastmutter, weil, das wusste ich wirklich nicht, sich in dem Dorf Costeira, wo der Bahnhof ist, sich unter anderem auch ein Bordell befindet. Ich meine ja, ein Dorf wird dadurch nicht unbedingt schlechter, meine Familie denkt da aber anders. Lustiger war aber, das ich auch in Doerfern war, von denen meine Gastfamilie noch nie gehoert hatte, obwohl die sich in nur 10-20 km Entfernung von Netos befinden... So glaube ich, dass insbesondere meine Gastmutter insgeheim doch stolz auf mich war, ermutigte sie mich doch gleich am naechsten Wochenende einfach (allein) mit dem Zug die Strecke entlang zu fahren.
Als ich in Portugal ankam, dachte ich mir, dass die portugiesische Sprache, ähnlich wie Französisch, gut gegen alle englischen und sonstigen Spracheinfluesse geschützt wird. Dachte ich, ja. Denn wenn man hier mehr als drei Monate lebt, merkt man schon, dass sich einige Wörter aus dem Englischen einbürgern, wobei das nicht so große Ausmaße wie in Deutschland annimmt, es aber dennoch nicht nur bei okay bleibt. Es werden vor allem Wörter uebernommen, die Erscheinungen/Dinge bezeichnen, die extrem neu sind oder die es einfach nur im Fernsehen gibt. Das erste Beispiel sah im Film A dia depois de amanhã (The day after tomorrow): Es gibt kein Portugiesisches Wort für "Eisberg", da wird einfach das englische Wort "iceberg" übernommen. Selbstverständlich mit (jedoch nur teilweise) angepasster Schreibweise, also icebergue (ohne u hieße es icebersche). Komischeweise wird das ice dennoch wie "Eis" ausgesprochen. Mein zweites Beispiel ist trabalhar em part-time, zu Deutsch einfach "Teilzeitarbeit". Für das Wort "schwul" gibt es im Portugiesischen auch kein "normales" Wort, also keines, das nicht abwertend ist (wenn man mal von "homosexual" absieht). Deswegen haben die Portugiesen einfach das "gay" übernommen...
Viele Grüße und até breve --Cornelius
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flosch,
Freitag, 12. Januar 2007, 13:16
"Iceberg"
So fürchterlich englischem Ursprungs ist "Iceberg" übrigens auch nicht, das Wort ist aus germanischen Sprachen entnommen, vermutlich aus dem niederländischen.
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