Freitag, 11. Mai 2007
Camp in Leiria - Abschied vom Dorf?
Olá,
Ich muss mich mal wieder tiefst entschuldigt, dass dies erst der erste Bericht im Mai ist. Aber durch verschiedene Dinge war es kaum moeglich frueher etwas zu schreiben.

Zuerstmal hatte ich letzte Woche eine “heftigere” Diskussion mit meiner Gastmutter, die dann etwas ungluecklich endete. Nachdem sie mich als “anders” und “komisches Ding” bezeichnet hat und sagte ich sollte mir eine andere Familie suchen, habe ich meinen Counsellor, eine Art Ansprechpartner meiner Austauschorganisation, angerufen und mich beschwert. Folge war dann, dass nun der Familien-Tausch-Prozess eingeleitet wurde, ich beziehungsweise meine Organisation sind nun also auf der Suche nach einer neuen Gastfamilie fuer mich. Dabei darf man nicht vergessen, dass es in meiner Region kaum andere Gastfamilien gibt, weil auch die finanzielle Situation der Familien hier nicht ganz so gut ist wie bspw. in den grossen Staedten wie Porto oder Lisboa. Seitdem warte ich nun auf eine neue Familie, mit meiner aktuellen Familie tausche ich nun selten mehr als die ueblichen Worte aus. Das es (normalerweise) Unsinn ist, 7-8 Wochen vor Ende des Austauschjahres Familie zu wechsel ist mir i.Ue. klar.

Direkt nach diesem “Ereignis” fand dann aber etwas ganz anderes statt: das naechste AFS-Camp. Zu Beginn des Jahres konnten wir aussuchen, ob wir in ein Camp ins Alentejo (Suedportugal), Ribatejo (Uferregion des Tejos, nahe bei Lisboa) oder in die Stadt Leiria wollten. Da ich ich nicht schon wieder Dorf sehen wollte (Alentejo) und Ribatejo schon ausgebucht war, hatte ich mich fuer Leiria entschieden.Mein Gastbruder in Leiria, Miguel
Daher fuhr ich dann am Donnerstag Morgen mit einem kleinen Regionalbus der Firma “Tejo” von Figueira da Foz nach Leiria, das etwa 1 Stunde und 20 Minuten dauerte. In Leiria wurde ich dann von den anderen 12 Austauschschuelern, die sich auch fuer das Camp angemeldet hatten, und den Gastfamilien begruesst. Ich hatte ein paar Tage zuvor einen Brief mit Informationen ueber meine Gastfamilie, die mich fuer 4 Tage in Leiria aufnehmen sollte, erhalten. So erfuhr ich, dass mein Gastbruder Miguel Rufino Salustiano heisst. Wer eine Weile in Portugal lebt, sieht an dem Namen drei Sachen, die ungewoehnlich sind: zuerst der erste Nachname Rufino (sehr unueblich Nachname), der zweite Nachname Salustiano (ebenfalls unueblicher Nachname) als auch, dass mein Gastbruder nur einen Vornamen (Miguel) hat. Normalerweise hat jeder Portugiese (mindestens) zwei Vornamen, da die Vielfalt der Nachnamen nicht sehr gross ist und man zum Unterscheiden meist noch einen weiteren Namen braucht.
Jedenfalls wurde ich herzlich empfangen (es war toll zumindest ein Teil der anderen Austauschschueler wieder zusehen) und bald darauf wurden wir zur Schule unserer aller Gastgeschwister gebracht, wo ich mal wieder das herrliche Kantinenessen der portugiesischen Schule geniessen durfte (als ob ich das nicht schon jeden Tag in Figueira essen wuerde...).Leiria von der Burg aus gesehen Danach veranstaltete das AFS-Kommitee von Leiria ein paddy-paper, das zu Deutsch etwa Schnitzeljagd heisst. Noch nicht mal im Deutschen habe ich bisher verstanden, wieso es Schnitzeljagd heisst, noch weniger verstehe ich aber, wie denn der Anglizismus paddy-paper ins Portugiesiche gedrungen ist. Jedenfalls ging diese Schnitzeljagd durch ganz Leiria, sodass ich so das Wichtigste dieser Stadt kennenlernte. Es ging zur Burg, zum wichtigsten Platz (Praça Rodrigues Lobo), zum Stadtfluss (Namen wieder vergessen...), etc., etc. Am Abend dann durfte ich den anderen Teil meiner Gastfamilie kennenlernen: Helena, Mathematiklehrerin an der Schule meines Gastbruders Miguel; Rui, hauptberuflich Besitzer zwei Buecherlaeden (absolut cool!) und nebenberuflich Mitarbeiter in der Plastikwarenfabrik der Familie, sowie Patrícia, 14 und etwas pubertaer veranlagt, spielt Handball, sonst ganz nett. Die Familie wohnt in einer Vorstadtsiedlung von Leiria mit einem wirklich modernen neuen Haus, das, obwohl sie schon seit 2 Jahren dort wohnen, immer noch nicht komplett eingeraeumt ist. Was mir auch sympathisch war, dass die Familie ab und zu auf Fertigprodukte zurueckgreifen muss, da weder die Eltern noch die zwei Kinder Zeit zum Kochen haben.Das Stranddorf von Leiria, Nazaré
In den folgenden Tagen schleppte mich mein Gastbruder mit den anderen Austauschschuelern jeden Abend in die Bars von Leiria und ueberredete mich portugiesischen Kaffee (etwas vergleichbar mit deutchem Espresso) zu trinken (besser als ich gedacht hatte...). In den Tagen machten wir einen Ausflug nach Nazaré, das Strandbad von Leiria, „machten“ Kletterwand-Steigen, stellten uns einer Gesamtschule vor und beantworteten Fragen rund um das Austauschjahr, veranstalteten ein Laserquest-Tournier, etc., etc. Jedenfalls sehr ermuedend aber extrem toll!
Zwischenpause in der Gesamtschule: Austauschschueler aus Mexiko, USA und Thailand (v.l.n.r.)
Am Sonntag wurde ich dann von meiner Familie zum Bus gebracht, wo ich dann feststellen musste, dass kein einziger Bus der Firma „Tejo“ am Sonntag faehrt, sodass ich weiter 1 ½ Stunden warten musste, um dann den Expressbus nach Figueira zu nehmen. Zum Abschied erhielt ich von meiner Familie ungewoehnlich viele Abschiedsgeschenke (Das Buch Memorial do Convento des portugiesischen Nobelpreistraeger José Seramago; eine Gedichtsammlung von António Gedeão; Fotos von meiner Gastfamilie sowie die typischen Suessigkeiten von Leiria) und das Angebot wieder vorbeizukommen. Ueber die 4 Tage hatte ich extrem viele neue Bekanntschaften vor allem mit Portugiesen gemacht, was sehr amuesant war, weil diese wiederum sich ueber meinen deutschen Akzent totlachen konnten (dabei ist der gar nicht so schlimm).
Nach einer Stunde Expressbusfahrt kam ich dann so erschoepf in Figueira an, wo ich von meinem Gastvater abgeholt wurde. Die typischen Kuchen aus Leiria schenkte ich meiner Gastmutter zum (Gast-?)Muttertag, immerhin erhielt ich zwei Kuesschen auf die Wangen mehr als sonst (...).
Es hatte sich jedenfalls gelohnt, Leiria als Camp auszusuchen!

Oben hatte ich ja schon etwas ueber die Namensangelegenheiten in Portugal geschrieben. Sicherlich kann man das alles noch wesentlich wissenschaftlicher Betreiben, dennoch wollte ich mal meine Beobachtungen schildern:

Portugiesen tragen grundsaetzlich immer zwei Nachnamen, wichtigster Name, der auch zuletzt genannt wird, ist der Name des Vaters. Der andere Nachname ist, logisch, dann der Name der Mutter, der ab und zu um Namenverwechslungen zu vermeiden, benutzt wird. Nachnamen haben auch in Portugal meist eine Bedeutung, die haeufigsten Nachnamen sind uebrigens nicht wie in Deutschland Berufe (Schmied, Fischer, Mayer, Richter, Schaefer, was weiss ich) sondern Baeume wie Pereira (Birnenbaum), Carvalho (Eiche) oder Oliveira (Olivenbaum). Dennoch gibt es natuerlich auch Berufe, bspw. heisst meine Gastfamilie Ferreira (Schmied).
Aber nicht nur bei den Nachnamen gibt es etwas zu beobachten, auch die Vornamen sind recht interessant. Haeufigster Vorname ist und bleibt, nach meiner Beochbachtung, immernoch João (ich kenne 9 Joãos!), der uebrigens nicht nur als Jungen-, sondern auch als Maedchenvorname benutzt werden kann. João ist im Uebrigen das portugiesische Aequivalent zum deutschen Johannes. Ein weiterer weitverbreiteter Jungenvorname ist Tiago (wozu es laut der Uebersetzung des Focaultschen Pendels auch ein deutsches Aequivalent gibt, das ich aber wieder vergessen habe) und José dessen deutsches Aequivalent Josef ist und uebrigens nicht wie im Spanisch „chosssee“ sondern „dschoseee“ ausgesprochen wird. Maedchenvornamen sind hielt generell Ana, Rita, Sofia und Maria. Der Vorname Alexandra wird normalerweise nur als zweiter Vorname genutzt und alle Namenstraegerinnen koennen den Namen nicht ausstehen.
Mit den Namenverwechslungen ist dies uebrigens eine ganz ernste Sache, sodass beispielsweise im Fernsehen viele Personen nicht à la Vorname + 2. Nachname (also zB Rui Costa oder Nuno Gomes [zwei Fussballspieler]) sondern 1. Nachname + 2. Nachname genutzt wird, wie beispielsweise Cavaco Silva (portugiesischer Staatspraesident) anstatt Ánibal Cavaco Silca und Durão Baroso (EU-Kommissionpraesident) anstatt José Manuel Durão Baroso .

Até à próxima, in Hoffung dann mit neuer Gastfamilie, Cornelius.

Wenn mal wieder komische Fotos von mir gemacht werden...

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*daumendrück*
kleines Lebenszeichen aus Köln. Ich hoffe, die letzten Wochen werden noch erfreulich(er) für Dich... Wir freuen uns wie die Schneekönige aufs Wiedersehen in Berlin :-)

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Gruss aus Manhattan
Wie geht es Dir? Bist Du gut bei Deiner Zwischengastmutter gelandet? Herzliche Gruesse aus New York

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