Montag, 12. Februar 2007
Referendum
Olá,
ganz offiziell wurde jetzt bestaetigt, dass die "Sim"-Anhaenger gestern bei Referendum zur "Interrupção voluntária da gravidez" (Schwangerschaftsabbruch) mit 59,25 Prozent klar gewonnen haben, die Nein-Anhaenger haben mit 40,75 Prozent verloren und - im Gegensatz zu Deutschland - wird hier die Wahlverweigerung als dritte Saeule angegeben (Abstenção), diese lag bei 56,39 Prozent, also 43,61 Prozent Wahlbeteiligung. Ab 19:00 Uhr gestern Abend waren alle drei wichtigen Sender (RTP, SIC und TVI), von vier die wir hier empfangen, quasi gleichgeschaltet, nur mit unterschiedlichen Gesichtern. Man konnte gut an den einzelnen Ergebnissen in den Distrikten erkennen, welche Parteirichtung dort "herrscht". Waehrend im Sueden und in Lisboa vor allem die Linken (meine Familie sagt immer "as comunistas") regieren und somit auch die Ergebnisse der Sim-Anhaenger entsprechen sind, regiert auf den Inseln (vor allem Madeira) und im Norden die PSD, die (rechten) Sozialdemokraten, dort gibt es teilweise Ergebnisse von 70 Prozent Não. Meine Familie ist (zum Glueck) auch waehlen gegangen, da ging es die 100 Meter entfernte Grundschule. Hier bekommt man jedoch keine Wahlbenachrichtigung, sondern muss man sich, wenn man aeltern als 17 ist (also 18), bei der Gemeinde einen Zettel unterschreiben, dann bekommt man eine Waehlerkarte (Cartão do Eleitor) und nur damit darf man waehlen gehen. So kenne ich jemanden in meine Schule der schon 19 ist, sich die Karte aber nicht besorgt hat und somit auch nicht waehlen gehen darf. Da finde ich das in Deutschland mit den Wahlbenachrichtigungen, trotz der Kosten fuer den Staat, doch besser...

Ciao, beijinhos --Cornelius

P.S.: Morgen findet mein Wandertag mit dem 11. Jahrgang nach Sintra statt, von dem ich am Freitag berichten werden.

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Freitag, 9. Februar 2007
Prozession, Markt + 11. Februar
Olá, in dieser Woche ist wesentlich mehr erwaehnenswertes passiert, sodass mein Blogbericht etwas laenger werden muss.

Letzten Freitag wurde ich von meiner Gastmutter Die Statue der "Nossa Senhora de Virtude de Gatões"auf einmal mit der Ansage ueberrascht "Nós vamos à festa religiosa!" (Wir gehen/fahren zu einem religioesen Fest). Das hiess, dass ich meine Gastmutter und ich in die Nachbargemeinde Gatões (jaja, die grossen Katzen) gefahren sind, dort wohnte frueher meine Gastmutter und heute immernoch ihre Schwester und ihre Eltern. Das "festa religiosa" entpuppte sich dann als die jaehrliche Ehrung der "Nossa Senhora de Virtude de Gatões", zu Deutsch (frei) "Unsere Jungfrau Maria der Tugen von Gatões". Waehrend der Prozession liefen zahlreiche Maedchen mit Kroenchen, blauem Gewand und Puppe rum - wen die wohl nachspielen?.. Das ist eine sehr uebliche "Sitte" in Portugal, jede Gemeinde "muss" eigentlich einen Gemeindeheiligen haben, der dann einmal pro Jahr mit einer Prozessionen und einer Feier/einem Fest geehrt wird. Nun durfte ich am Freitagabend der Prozession der "Nossa Senhora de Virtude" beiwohnen. Das hiess, eine kleine Statue der "Senhora" sowie eine kleine Statue der Landesheiligen "Nossa Senhora de Fátima" werden durch das ganze Dorf getragen, die Menschen laufen mit, singen, halten Kerzen und der Priester spricht immer laufen einige Worte. Dazu kam dann noch eine Kapelle aus der Nachbargemeinde Meine Gastmutter gefiel der "Padre Preto" ganz besonders, die immer und immer wieder "Ave Maria" anstimmte und es so lange spielte, dass ich das jetzt nicht mehr hoeren kann. Ich fand das alles sehr interessant, aber noch viel mehr war diese Prozession sehr respekteinfloessend, wie die Menschen durch das Dorf ziehen (nahezu jeder!, auch die "Alten") und dabei immer wieder das "Ave Maria" kommt. Ironie des Schic ksals, dass ich die gleiche Prozessionam Sonntag nochmal miterleben durfte, denn meine ganze Gastfamilie ass bei den Eltern meiner Gastmutter und danach war selbstverstaendlich der Gottesdienst dran.Die Vorhut der Prozession, dahinter komnmen noch die Heiligenstatuen von Gatões und Fátima, der Padre und die Kappelle So konnte ich auch bessere Bilder von der Prozession machen, da dass im Dunkel nicht so gut funktioniert. Dass die Prozession am Sonntag nochmal wiederholt wurde, gab mir auch die Gelegenheit die kleinen Maedchen, die ebenfalls an der Prozession teilnahmen zu fotografieren: diese schmueckten sich naemlich alle mit einem blauen Gewand (in der Farbe der "Nossa Senhora"), dazu ein kleines Kroenchen auf der Kopf und in der Hand eine kleine Plastikpuppe.. Achja, zu Sonntagmittag kann man natuerlich auch wesentlich besser den angolanischen Priest mit original angolansischem Dialekt fotografieren....

Zwischen den beiden Prozessionen, am Samstag, war wieder Markttag in meiner Gemeinde. Der Markt von Ferreira-a-NovaJeweils am 3. des Monats (Ausnahme wenn der 3. ein Sonntag ist, dann ist es der 2.), findet auf dem grossen Platz von Ferreira-a-Nova vor der Kirche die "feira" statt. Man muss sich das so vorstellen: nahezu den ganzen Monat ist auf diesem Platz gaehnende Leere, ein Fremder wuesste nicht, wozu eine Gemeinde denn so einen grossen Platz braucht. Doch dieser eine Tag im Monat zeigt dann die Notwendigkeit dieses Platzes: Meine Gastmutter kauft BHsUeberall, wirklich ueberall steht Menschen mit ihren Waren und versuchen sie an den Mann/an die Frau zu bringen, jedes Straesschen ist vollgestellt. Und Markt heisst wirklich Markt, dort kann man nahezu alles kaufen, was der Bauer resp. die Baeuerin denn so braucht. Das faengt bei Enten, Huehnern und Gaensen an (die Schweine wurden verboten, der Schweinemarkt findet nun immer 100 Meter weiter im Wald statt), Ja, auf den Markt gibt es auch Benfica-Socken...geht ueber das uebliche Gemuese, Fisch, Brot und Kartoffelsamen bis zu Jeans, Kochtoepfen, BHs und Benfica-Socken. Meine Familie ueblicherweise einen Grossteil ihrer Kleidung auf diesem Markt, weil diese hier angeblich billiger waere. Aber dazu kauft meine Gastmutter dann auch noch Huehner, die dann bei uns aufgepaeppelt und danach geschlachtet werden. Achja, ich habe mir eine Hose gekauft und Buecher gibt es "selbstverstaendlich" nicht auf diesem Markt.

In den portugiesischen Medien ist derzeit ein wesentlich anderes Thema im Blickfeld. Nachdem es einen Streit ueber das Schwangerschaftsabbruch-Gesetz gab, verkuendete der portugiesische Staatspraesident Ánibal Cavaco Silva, dass am 11. Februar ein Referendum darueber abgehalten werden soll. Bereits am 26. Juni 1998 gab es bereits ein Referedum darueber, damals gewann das "Não" mit 51%, es stimmten aber auch nur etwa 30 % aller Wahlberechtigten ab, Das Werbeplakat der PS (Regierungspartei)da jedoch die Regierungspartei PS damit nicht einverstanden war, versucht man es jetzt nochmal, da derzeit oft "abortos clandestinos" (Illegale Abtreibungen) stattfinden bzw. fahren Portugiesinnen nach Spanien. Um dies nun endlich zu klaeren, findet im drittkatholischten Land der Welt nun an diesem Sonntag ein Referendum statt. Aus meiner subjektiven Sicht gibt es extrem viel Wahlwerbung dazu, m.E. auch mehr "Não" als "Sim". In den Nachrichten, die etwa 80 Minuten lang sind, Das Werbeplakat der Platform "Não, Obrigada"gibt es nun Reportagen-Bloecke mit annaehrend 20 Minuten nur ueber die jeweiligen Kampagnen der "Sim" bzw. "Não"-Anhaenger. Auch auf den Strassen und insbesondere vor der Schule gibt es viel Wahlwerbung, vor allem die vier linken Parteien PS (Partida Socialista, immer Regierungspartei gewesen), Os Verdes (die Gruenen), Bloco de Esquerda (Linksblock) und die PCP (Kommunisten) der Assembleia Nacional (das portugiesische Parlament) kaempfen hier um die Stimmen der Jugendlichen. Derzeit sagen die "Eurosondagens" (zu Deutsch Umfragen), dass "Sim" knapp gewinnen wird. Insbesondere in den Staedten liegt die Pro-Anhaenger klar vor, im Hinterland, vor allem in den Bergen und im armen Alentejos, wo die Menschen generell sehr fromm sind, liegen die Não-Anhaenger vorne.Werbeplakat des "Bloco Esquerda"Als Anmerkung: Meine Gastfamilie wird, so wie ich das interpretieren konnte, komplett "Não" stimmen.

Plakat-Legende:
* Bild 1: Plakat der Partida Socialista mit dem Text: "JA - Illegale Abtreibung sind eine nationale Schande; ein verantwortungsvolles Votum, JA"
* Bild 2: Plakat der Platform "Não, Obrigada" (gute Wortwahl, Obrigada ist die weibliche Form von "Danke" resp. nur Personen des weiblichen Geschlechtes benutzen "obrigada") mit dem Text: "Abtreiben auf Verlangen und das restliche Leben verbringen mit der Bitte/Wunsch, es haette nicht passieren sollen? Nein, Danke"
* Bild 3: Plakat des Bloco Esquerda mit dem Text: "<... bestraft mit bis zu drei Jahren Haft.>> Artikel 140 des Straftgesetzbuches. Stimme (mit) JA (ab); fuer die Aenderung des Gesetzes; Schluss mit der Frauenverfolgung/Unterdrueckung; Linksblock"

Beijinhos, ciao, até breve, bis bald --Cornelius

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Freitag, 2. Februar 2007
Schulessen
Olá,
im letzten Kommentar wurde ja um einen Bericht ueber das hiesige Schulessen gebeten; diesen Wunsch werde ich auch gleich hiermit erfuellen.

Grundsaetzlich ist es so, dass ich in Berlin na der 4. oder 5. Stunde (45-Minuten-Stunde) gegessen habe, also fruehestens um 11:40. In Portugal oder zumindest in meiner Schule in Figueira da Foz esse ich nach der 3. Stunde (90-Minuten-Stunde) bzw. um 13:30. Das macht sich dann doch schon sehr bemerkbar, es ist einfach noetig sich etwas am Kiosk oder in der Cafeteria zu kaufen, sonst "ueberlebt" man die Stunden einfach nicht. Ja kaufen, nahezu niemand bringt sich Essen in die Schule mit, Brotboxen gibt es hier grundsaetzlich nicht. Gegessen wird also fruehestens ab halb zwei, zu dieser Zeit beginnt auch die einstuendige Mittagspause. Das wiederum heisst, dass man zum Essen sagen und schreibe (theoretische) 65 Minuten Zeit hat, im Gegensatz zu den 20-Minuten in Berlin...

Das Essen wird (vermute ich) seit dem letzten Schuljahr von einem privaten Unternehmen hergestellt, doch eben nicht wie in Deutschland in die Schule gebracht und aufgewaermt, sondern in der Schule selbst gekocht. Die fruehere, "oeffentlich-rechtliche" Kueche soll angeblich wesentlich schlechter gekocht haben als die jetztige, dennoch gehen nur etwa 100-150 Schueler essen, von etwa 800, die es in der Schule gibt. Gegessen wird in einem extra grossen Raum, drei lange Tischreihen mit zahlreichen Stuehlen geben genug Platz. Der Speiseplan der Kueche wird jede Woche in der Schule ausgehangen, was theoretisch aber eigentlich nicht noetig waere, denn ich kann schon im Kopf vorraussagen, dass wann es Fisch oder Fleisch gibt; die beiden Hauptbestandteile wechseln sich jeden Tag ab. Ein Essen ohne Fisch oder Fleisch waere wahrscheinlich eine portugiesische Suende, sodass es nie dazukommt. Neben dem Hauptgericht (bspw. gab es letzte Woche "lulas e aroz", kleine Oktopusse mit Reis) gibt es immer noch eine Suppe (ich nenne sie meist "sopa estranho", weil man nie so richtig weiss was drin ist, aber sie immer einen gelben Ton hat) und als Nachtisch zumindest Obst, manchmal auch "maçã cosida" (gekochter Apfel) oder "arroz doce" (Milchreis) oder einen Chemie-Joghurt (weiss aber mit Geschmacksstoffen), wer will kriegt noch ein Glas Wasser dazu. Das alles kostet sage und schreibe 1,03 € pro Essen, man kauft jede Woche fuer die entsprechenden Daten einen Papierzettel in einer speziellen Farbe, der dann beim Essenholen abgegeben wird. Nur mal als Anmerkung: Das Essen, das in Berlin bekam, kostete zwischen 2 und 4 € und besteht nur aus einem Hauptgericht, nahezu nie mit Nachtisch und ohne Trinken. Das ist doch ein bedeutender Vorteil gegenueber meiner Schule in Berlin.

Derweil habe ich nun mit einer AFS-Freundin, die in Lisboa wohnt, ein Wochenende in Porto vereinbart. So werde ich Ende Februar mit ihr Porto "entdecken". Dafuer musste ich aber auch so einiges tun, man kann sich gar nicht vorstellen wie viel Papierkram ein "Independent Travel" bei meiner Austauschorganisation noetig ist, zusaetzlich kommt ja noch die Ueberzeugungsarbeit bei meiner Gastfamilie hinzu...

Im Moment versuche ich gerade auf Portugiesisch zu denken, was sich vielleicht einfacher anhoert als es ist. Nun redet die eine Seite meines Kopfes Deutsch mit mir, die andere Portgiesisch und manchmal kommt auch noch Litauisch dazu, weil sich Portugiesisch und Litauisch phonetisch sehr aehnlich sind. Da bekomm ich schon manchmal das Gefuehl, schizophren zu werden, vor allem weil ich mit mir selber auf Portugiesisch rede, damit mein Gehirn nicht auf einmal auf die Idee kommt wieder Deutsch zu denken...

Beijinhos aus Portugal, bis bald, até breve, ciao e ciaosão.

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